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Zeit für Self-Management

Und dann kam alles anders…

Als ich Mitte 2019 meine Arbeit gekündigt habe, gab es viele Gründe für diesen Schritt. Körperverfettung durch viel Arbeit, zu wenig Bewegung und schlechte Ernährung, sowie die Aussicht auf einen Reset des Lebens allgemein waren nur ein paar davon. Es kam das Resetjahr 2020 und die Bedeutung von Reset wurde eine andere. Es kam zu Ereignissen, die keiner hat kommen sehen. Nun heißt es wohl die Zeit zu nutzen, vielleicht für Self-Management?

Wie angekündigt wollte ich neue Wege in der Plastischen und Ästhetischen Chirurgie, vielleicht sogar außerhalb davon, beschreiten. Dabei sollten mir schlaue Menschen in anderen Ländern helfen. Ich wollte von ihnen lernen, wie man in flachen Hierarchien arbeitet (New Work, türkise Organisationsformen), um mehr Spaß durch mehr Unabhängigkeit im Beruf zu haben. Dann wollte ich schauen, ob man die finanzielle Verantwortung einer Unternehmung auf mehrere Personen verteilen kann und wie das geht (co-budgeting). Damit soll das finanzielle Risiko als Unternehmer auf mehrere Teammitglieder verteilt werden. Super interessant war und ist nach wie vor auch, wie wir Plastischen und Ästhetischen Chirurgen mal anfangen könnten, die Digitalisierung voranzutreiben (Online-Beratung, slack, ZOOM). Nebenher wollte ich schauen, wie wir es als Mediziner schaffen, uns nicht ständig von anderen sagen zu lassen, was und wie wir unsere Arbeit zu tun haben (der böse Betriebswissenschaftler als Chef ;)).

ich hatte plötzlich einige Probleme

1. Reisen, um schlaue Leute zu besuchen, um von ihnen zu lernen war unmöglich geworden. Alles geht nur noch online im www (Digitalisierung geht schon mal voran => sehr gut).
2. Schlaue Ideen finden wenig Anklang, denn die meisten Menschen, gerade die, deren wirtschaftliche Existenz bedroht ist, befinden sich im Panikmodus.„flache Hierarchien, Slack was? Hör mir auf mit dem Quatsch, ich muss hier meinen Arsch retten“. Oder wie es der Philosoph Richard David Precht im Thilo Jung Interview sagt: „Das Haus muss erst mal gelöscht werden, bevor die Leute über eine Verbesserung der Konstruktion sprechen.“
3. Ich selber bin fast täglich so überrascht von dem was passiert (Einschränkung der Grundrechte, Kriegsrhetorik, Virologen bald im Dschungelcamp?), dass ich selber erst einmal analysieren muss, was das alles für mich und meine Umgebung bedeutet.

Ich bin also dabei, erst mal meine Gedanken zu ordnen um zu verstehen, was gerade passiert. Um dann zu entscheiden, was ich nun mit der Zeit des für mich ja geplanten Lockdowns mache. Gar nicht so einfach bei der unglaublichen Wucht an Informationen, die auf einen einprasseln. Nebenbei ist es schrecklich wenn man merkt, dass man schon eine Stunde am Smartphone rumgedaddelt um danach zu festzustellen, dass man nicht wirklich schlauer ist als vorher.

Was ist überhaupt los?

Zunächst bringen viele an einem Virus erkrankte Menschen, vor allem ältere und vorerkrankte Menschen, einige Gesundheitssysteme der Welt an ihre Grenzen, sodass mancherorts Menschen sterben, die mit der richtigen personellen und materiellen Ausstattung sonst nicht gestorben wären. Das ist übrigens sehr traumatisch für die behandelnden Ärzte weil man weiß, dass das vollkommen unnötig ist, zumindest in den reichen Ländern, wo man die Krankenhäuser schon vor der Krise einfach kaputtgespart hat. Ich fand es ja schon schlimm als Anfänger auf einer Intensivstation arbeiten zu müssen weil ich immer dachte, Patienten sterben vielleicht, weil ich so unerfahren bin.

Muss das so sein?

Wie Michael Schmedt, der stellvertretende Chefredakteur einer aktuellen Ausgabe des Ärzteblattnewsletters schreibt, gab es 2013 eine Pandemiesimulation. Daraus erwuchs eine dringende Warnung, dass eine Viruspandemie wie jetzt die SARS-CoV-2 Pandemie die Welt in Angst und Schrecken versetzen könnte. 7,5 Millionen Tote in drei Jahren wurden bei dieser Simulation prognostiziert. Damals bekamen Bundestagsabgeordnete und Ministerien diese Drucksache vorgelegt.
Bill Gates hat uns in einer TEDx Veranstaltung auch schon genau vor so etwas gewarnt.
Er war und ist vielleicht auch an dem Verkauf von Impfstoffen interessiert. Wer weiß?

Deutschlands Gesundheitssystem im roten Bereich?

Die Warnungen von 2013 und die von Bill Gates haben in vielen Ländern nicht dazu geführt, dass Vorkehrungen für eine Pandemie getroffen worden sind. Da hätte man Geld in die Hand nehmen müssen. Die Frage ist wahrscheinlich wieviel Geld wir als Gesellschaft für die Vorbereitung auf so einen Ernstfall in die Hand nehmen wollen. Die Zahlen der letzten Jahrzehnte zeigen , was eigentlich jeder weiß. Die Arbeit der Heilberufler*innen hat sich stark verdichtet. Das Gesundheitssystem ist nah an seiner Kapazitätsgrenze. In Ländern wie Italien ist, wie wir gerade sehen, die Kapazitätsgrenze überschritten worden. Damit wir im Sturm der Coronapandemie keine italienischen Verhältnisse bei uns in Deutschland bekommen, mussten nun viele Operationen verschoben werden. Intensivbetten wurden freigehalten. Das hat wiederum extrem negative wirtschaftliche Folgen für den ambulanten und stationären Sektor. Es fehlen Patienten, vor allem die, die nach DRG-System (Diagnosis Related Groups, Abrechnungssystem in den deutschen Krankenhäusern) viel Geld einbringen.

Intensivstationen nicht überlastet, zum Glück!

Meine internistischen Kolleg*innen und die, die auf Intensivstationen arbeiten, erzählen mir aktuell, dass durch die Vorbereitungen auf die COVID-19-Patienten „eher wenig zu tun sei“. Das ist schon mal beruhigend. Leider wird es später die Rechnung dafür geben. Das Gesundheitssystem in Deutschland ist wie ein moderner LKW, der ständig im roten Drehzahlbereich gefahren wird und von einer LKW-Fahrer*in gefahren wird, die oder der zu wenig Pausen macht. Das wäre also das Problem Pandemie. Die Lösung ist eine gesundheitspolitische Lösung.

Dazu eine Darlegung aus dem Buch „Heal Your Hospital“:
Heilberufler*innen hatten in den letzten Jahren in Deutschland eher wenig finanzielle Unterstützung. „Von 1991 bis 2012 fiel im Bundesgebiet die Anzahl der Betten um fast 25 Prozent, von 665.565 auf 501.475 Betten. … Dem gegenüber steht ein Anstieg von über 25 Prozent der stationären Behandlungsfälle von 14,6 auf 18,6 Millionen im gleichen Zeitraum. Diese Steigerung wurde bei weniger Betten durch eine geringere Verweildauer von durchschnittlich 7,6 Tagen im Jahr 2012 möglich, während sie 1991 noch 14 Tage betrug.“ Statistisches Bundesamt Krankenhäuser, 2014. Heute wird jedoch viel mehr ambulant operiert und die durchschnittliche Verweildauer von 14 Tagen war vielleicht etwas zu lang (bedingt durch Tagespflegesatz).

Es gibt aber noch ein anderes, größeres System im roten Bereich.

Dirk Müller, Mr. Dax, beschreibt in seinen diversen YouTube-Beiträgen eine von der Pandemie abzugrenzende Wirtschafts- und Finanzkrise. „Corona“, sagt einer seiner Gäste in diesem Zusammenhang, sei nicht „wie ein Tropfen, sondern wie eine Welle, die das Fass zum Überlaufen gebracht hat.“
Die Defizite des Wirtschafts- und Finanzsystems waren schon vor der Corona-Pandemie sichtbar. SARS-CoV-2 ist also nicht der Grund, warum es mit der Wirtschaft bergab geht, sondern eher ein Brandbeschleuniger, der das weltweite Finanz- und Wirtschaftssystem noch heftiger brennen lässt. Wenn Friseur*innen zu machen müssen und nach drei Monaten Pleite gehen, liegt es nur bedingt am kleinen Virus. Sie oder er hat nichts auf der hohen Kante. Nur die, die vorgesorgt haben, oder eh steinreich sind haben zur Zeit keine Probleme. Sie werden wahrscheinlich wie in vergangenen Krisen als Gewinner hervorgehen. Zur Zeit geht es Amazon gut. Der Einzelhändler*in hat große Probleme.

Wäre die Wirtschaft bzw. der Staat gesund wäre folgendes für die Friseurin, bzw. den Friseur, der Fall:

1. Sie/Er würde so viel bei ihrem 9-Stundentag verdienen, dass sie Rücklagen bilden kann oder muss. Das können viele schon allein bei heutigen Mietpreisen nicht mehr.
2. Sie/Er hätte die Möglichkeit einen fairen Kredit aufzunehmen, um die Krise zu überstehen.
3. Sie hätte Kolleg*innen oder Partner*innen, mit denen sie sich das unternehmerische Risiko teilt. Oder aber es gäbe eine Kooperative, die es ermöglicht alle aus der Krise erwachsenen Nachteile auf möglichst viele Schultern zu verteilen. Alle, ggf. auch die Angestellten würden zusammen den Gürtel enger schnallen.
4. Oder es gäbe ausreichende staatliche Hilfen, die ein berufliches Überleben ermöglichen.
5. Gibt es noch ein paar schöne Alternativen? Schreibt mir über das Kontaktformular!

Viele argumentieren, dass man sich auf eine solche Krise nicht vorbereiten könne und eine natürliche Selektion die Folge sei. Im Verlauf würden nicht überlebensfähige Unternehmungen (Beispiel Vapiano und Esprit) aussortiert. Ich habe auch schon gehört, die Natur würde sich gerade rächen und das Problem der Überbevölkerung würde durch solche Pandemien geregelt. Wie dem auch sei, es ist für mich zumindest vorstellbar, dass eine gut funktionierende Wertegemeinschaft eine solche Krise besser überstehen kann als ein Einzelner, der dann auf den Sozialstaat angewiesen ist. Eben auch beruflich kann es solche Wertegemeinschaften geben. Ich habe da ein Bild vor Augen, das ich leider noch nicht so gut in Worte fassen kann. Es gibt meiner Kenntnis nach noch kein vergleichbares Projekt in Arztpraxen in Deutschland.

Auf dem Weg zum Arbeitsplatz der Zukunft.

Sicher ist aber, dass die Arbeit ohne Pyramidenstruktur in flachen Hierarchien, die kompetenzbasiert sind, sogar mehr vom einzelnen abverlangt. Das heißt, man muss sich auf sich und seine Kolleg*innen verlassen können. Ist jemand unzuverlässig, kann man sich nicht auf dieses Teammitglied verlassen. Ist jemand nicht kritikfähig und übt Kritik nur um seinen Frust rauszulassen, geht es nicht weiter. Dieser Typus Mensch würde vielleicht mit Boss besser fahren.

Also sind die ersten Kapitel in Büchern über New Work voll vom Thema self-management. Man soll sich erst mal selber ausreichend gut kennen, um später gut in ein selbstorganisiertes Team zu passen. Das Team kann grob gesagt ja nicht die Rolle des Psychotherapeut*in übernehmen damit klar wird, warum zu Beispiel eine einzelne Person immer Probleme macht. Man muss sich selber also erst einmal fit für solche Organisationsformen machen. Erst wenn man weiß, wie man mit sich und anderen konstruktiv umgeht, kann man in einem Team richtig funktionieren. Oder aber man stellt fest, dass man nicht am richtigen Platz ist und verlässt das Team.

Self-management als Vorbereitung für neue Arbeitsmodelle

Im Laufe von vielen Gesprächen mit Mitgliedern von Enspiral, unter anderem John Gieryn und Sandra Chemin, ist mir klar geworden, dass auch ich erst einmal schauen muss wie es mit meiner Eignung, in flachen Hierarchien zu arbeiten, bestellt ist. Mache ich überhaupt das, was für mich das richtige ist? Was sind sinnvollerweise die nächsten Schritte? Das Ganze ist insofern super interessant, weil man im vollgepackten Alltag eines Plastischen und Ästhetischen Chirurgen für so ein Training eh nie Zeit hat. Jetzt habe ich ja die Zeit. Coachingangebote gibt es wie Sand am Meer. Ich habe mich dafür interessiert und wollte mich selbst also für New Work fit machen.

“Our mission is to empower you to live a meaningful and thriving life by designing and developing the work that makes it possible” Sandra Chemin, futureyou.be

Auf der Suche nach so etwas wie einem Coach / Berater*in, der/die mich für New Work fit machen sollte, waren für mich folgende Dinge wichtig:
1. Ich wollte einen erfahrenen Menschen, der nicht nur quatscht sondern auch auf eine eigene Erfolgsgeschichte in diesem Gebiet zurückschauen kann.
2. Die Grundeinstellung sollte beim Coach eher eine humanistische, soziale und nicht eine ökonomiefixierte nach Gewinnmaximierung strebende Grundeinstellung sein.
3. Die Beraterin oder der Berater sollte natürlich von all diesen Methoden des New Work, future of work, Microsolidarity, Teal etc. überzeugt sein. Sie oder er sollte schon solche Organisationsformen initiiert haben. Ich habe mich für futureyou.be entschieden und die Reise geht los. Darüber später mehr.

In der Zwischenzeit höre ich mir den sehr schönen Podcast zu neuen Arbeitsmodellen im Gesundheitswesen A Cup of Teal von Helen Sanderson an.

Netzwerk, New Work in medicine, Plastische Chirurgie, Self-Management

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